Die Rote Haus Straße - sie hat ihren Namen vom "Roten Haus", dem alten Gasthaus - ist die Nachfolgerin der alten Poststraße. Hier verkehrten seit 1782 die preußischen Postwagen, die wöchentlich zweimal die Strecke Schwelm – Hagen – Limburg – Iserlohn – Rotes Haus – Villigst – Schwerte – Unna – Königsborn und Kamen fuhren, dort hatten sie Anschluß an die große Zentralpostverkehrslinie Berlin – Köln. Der Flurname "am Postufer" unterhalb des Roten Hauses deutet heute noch darauf hin. Die Poststraße wurde auch von den Kohlenfuhr-leuten (Kuohldriewer = Kohlentreiber) benutzt, die Kohlen von den Ruhrzechen zu den Iserlohner Fabriken beförderten. Die Wirtschaft am "Roten Haus" war für sie die Einkehr-stätte. Aber auch reisende Kaufleute, die mit ihren Planwagen unterwegs waren stiegen hier ab.
Der Zustand der Straße, die eigentlich nur ein Hohlweg war und die schlechten Postwagen werden uns im Hennener Heimatbuch wie folgt beschrieben: "Es war freilich ein Geschirr von ganz vorsintflutlicher Beschaffenheit, welches für den Reisenden erst erträglich wurde, wenn er, was bei Steigungen und Unergründlichkeit des Weges häufig geschehen mußte, neben dem Wagen herlief" ein anderer Reisender schimpfte: "Mistwagen statt Postwagen, Wege zum Halszerbrechen, Schneckengleiches Fahren, Grobheit der Postbeamten für die unglücklichen Reisenden."
Den Reisenden drohten aber noch andere Gefahren, denn zum Ende des 18. Jahrhunderts trieben Räuber ihr Unwesen auf dieser einsamen Straße. Walter Ewig gibt in seinem Buch "Zwischen Lenne und Hönne" den folgenden Bericht: "Sage und Überlieferung beschäftigen sich mit der alten Poststraße und winden ihr einen Kranz, in dem es an düsteren Blüten nicht mangelt. In der Nähe des "Roten Hauses" überquert die Poststraße den Refflingser- oder Ebbingserbach. Die kleine steinerne Brücke (sie ist heute nicht mehr vorhanden) führte die Bezeichnung "Spukbrücke". Der einsamen Gegend haftete etwas Geheimnisvolles an, aber das kann nicht allein die Ursache sein, die den Volksmund zu dieser Namensgebung veran-laßte. Hören wir, was die Überlieferung zu berichten weiß: Im Kohlhagen, einem Waldgebiet bei der Spukbrücke, in der Nähe des "Roten Hauses", hauste vor langen Jahren eine starke Räuberband. Die Gesellen nächtigten in der alten Mühle, die hier am Ebbingserbach stand. Dort teilten sie auch ihren Raub. Kaum ein Kohlenfuhrwerk oder Planwagen, die in der damaligen Zeit zahlreich von Schwerte her die alte Poststraße nach Iserlohn befuhren, blieb unbehelligt, und mancher arme Fuhrmann oder reisende Kaufherr mußte sein Leben lassen. Die Leichen wurden von den Mordbuben in den nahen "Klingelsiepen" geworfen, wo es seitdem nicht geheuer ist denn die Geister der Erschlagenen gehen hier um. Auch eine Postkutsche soll am Postufer überfallen und ausgeraubt worden sein. Wer nachts zwischen zwölf und ein Uhr durch das todeinsame Tal muß, der hört aus dem tiefen Siepen ein feines und helles Klingeln, wie von einem Glöckchen. Es sind die Geister der Toten, die in dem Siepen umgehen."
Doch nun zum "Roten Haus", das der Straße ihren Namen gab. Es sieht ganz anders aus als die Bauernhäuser in unserer Gegend. Es ist auch ein Fachwerkgebäude, hat aber zahlreiche hohe Fenster, die man an unseren alten Bauernhäusern nicht kennt auch war es nicht weiß, sondern wie der Name sagt rot, da die Gefache mit roten Ziegeln ausgemauert sind. Solche Häuser kennt man aus den alten Städten wir Iserlohn, Hagen oder Altena. Sie gehörten wohlhabenden Familien.
Wie kommt ein solches Haus in diese einsame Gegend und wer war in der Lage, es zu finanzieren? Dem Aussehen nach muß der neue Teil des Hauses, der Anbau um die Wende des 18./19. Jahrhunderts oder in der ersten Hälfte des19. Jahrhunderts erbaut sein. Um diese Zeit wohnte dort die Familie Schmiemann, welche urkundlich zuerst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hier erscheint. Am 15. Januar 1751 verkauft die Freifrau Henriette von Elverfeld zur Tilgung väterlicher Schulden mit Genehmigung ihres Ehemannes folgende bisher zum Haus Villigst gehörende Liegenschaften: das "Rote Haus", den Ebbings Hof, die Mühle und den Heetmanns Kotten für 200 Reichstaler und einige Obligationen an Hermann Schmymann. Hier wird das "Rote Haus" zum erstenmal urkundlich erwähnt. Hermann Schmymann muß ein begüterter Mann gewesen sein und es ist anzunehmen, daß er aus der Iserlohner Familie Schmiemann stammt. Die Schmiemanns auf dem Roten Haus wohnen zwar in der Grafschaft Limburg, werden aber weiterhin als Iserlohner Bürger geführt. Im Forensenverzeichnis von 1718 heißt es: "Hermann Diedrich Schmiemann genannt im Berge, im rauen oder roten Haus". Es gibt auch die Bezeichnung "im neuen roten Haus". Bis 1857 bleibt das "Rote Haus" im Besitz der Familie.
Offenbar hat die Frage, wie konnten die Schmiemanns ein solches Haus finanzieren die Gemüter über lange Zeit beschäftigt. Es gibt in der Nachbarschaft des Hauses die Überlieferung, die Freimaurer hätten dort früher ihre Versammlungen abgehalten. In dem Zimmer, die "schwarze Kammer" genannt, das stets verschlossen gehalten wurde, spuke es, der Teufel rumore darin und sei auch einmal von einer "vorwitzigen Magd" erblickt worden. Auch wird erzählt das Schmiemann häufig auf einem Schimmel zum "Freischütz" nach Schwerte geritten sei um am "Freimaurergericht" teilzunehmen. Es kann also durchaus möglich sein, daß eine Loge geholfen hat, den Bau zu finanzieren.
Das die Freimaurer ihre Versammlungen im "Roten Haus" abgehalten haben, ist zwar nur mündlich überliefert, kann aber als Tatsache unterstellt werden.
Eine andere Überlieferung berichtet: "Im Roten Hause soll ein Spuk umgehen. Er kommt des Nachts durch ein Loch, das sich in der Ecke einer großen Stube befindet. Die Hausleute haben dieses Loch wiederholt zugemauert, am andern Morgen ist es aber stets wieder dagewesen."
Es werden noch viele andere Spuk- und Greuelgeschichten vom "Roten Haus" erzählt, zum Beispeil: in einer Kammer soll ein Sarg stehen, der von vielen Geldsäcken umgeben ist.
Erzählt wird auch, der französische Kaiser Napoleon I. habe, als er nach der Niederlage in Rußland im Winter 1812 allein in einem Schlitten quer durch Deutschland flüchtete, eine Nacht in der Gastwirtschaft des "Roten Hauses" verbracht. Man habe in stützen müssen, als er ins Haus ging, so hinfällig sei er gewesen. – Ob es wohl wahr ist?
Im "Roten Haus" gibt es zwei tiefe Keller, die mit einer Falltür verschlossen werden. Diese Keller wurden von einer früheren Bewohnerin des Hauses als "Verliese" bezeichnet. Von diesen Verliesen soll ein jetzt verschütteter Gang ins Freie geführt haben, also ein Notausgang.
Als vor vielen Jahre im "Roten Haus" der Fußboden erneuert wurde, machte man einen grausigen Fund. Unter den Dielen lag das Skelett eines Soldaten, noch mit den Fetzen einer Husarenuniform bekleidet. Wann und von wem hier eine Untat verübt worden war, ist nicht bekannt. Möglich, daß es sich um einen in den Freiheitskriegen oder noch früher umgekommenen Offizier handelt.
Schwerte-Ergste, 03. Juni 2004
Roswitha Bliese