Zwischen Unterdorf und dem Hilf – Lindenbrink – liegt der Hof ALTHOFF. Den wenigsten ist bekannt, daß die heutige Besitzung aus zwei Höfen hervorgegangen ist, ALTHOFF, das große Fachwerkhaus, Jahrzehnte diente es als Herrenhaus, und dem Hof BRENNE, in alter Zeit liest man BRENDE, woraus dann BRENNE wurde.
Aus der ehemaligen Hofstätte BRENNE wurden die Wirtschaftsräume der Pächter, heute ENGELS, davor war es HEINEMANN. Am Giebelstein steht noch Brenne – Patgen 1878. Um beide Höfe führt die Zugangsstraße. Begehen wir sie einmal: Aus der Langestraße kommend, überqueren wir die Unterdorfstraße. In der Langestraße, bei Ovelgönner, beginnt auch schon eine Trockenmauer, die sich fortsetzt bis zum Lindenufer. Im letzten Stück des Weges, rechts, stehen noch einige hochstämmige Obstbäume. Diese Wiese war nicht nur Obsthof, im Frühling wurden hier die Kälber aufgetrieben, darum hieß sie Kalveramp. Es konnte auch passieren, je nach der Jahreswitterung, daß sich noch für den Grummet, die zweite Heuernte, geschnitten wurde. Heute ist der oberhalb fließende Wannebach angestochen, von dem ein Teil seines Wassers entlang der Wiese fließt Um früher, in einem trockenen Sommer, die Wiese zu fluten, war westlich vom Allee-Eingang ein Schütt errichtet. Einige Meter weiter, mit dem Bachverlauf, lag die Viehtränke für Ovelgönner, zu der er im Jahre 1929 zum letzten Mal das Wasserrecht erhielt.
Alle Bäche im Dorf sind heute so geschädigt, daß der frühere Fischreichtum versiegt ist.
Heute zweigen von Althoff und dem Wiemteich Wege zum Bahndamm ab, die während der Flurbereinigung gebaut wurden. Für den Wanderer ist es wie im Paradies.
Als die Kirche auf dem Sauerfeld errichtet war, baute sich die Familie
Althoff von ihrer Haustür aus einen schnurgeraden Weg zu ihr, auf dem Hofgrund flankiert mit schönen Alleebäumen. Bei der letzten Zählung waren neben dem Kleinzeug noch vorhanden: 3 Silberpappeln, 1 Bergahorn, 1 Spitzahorn, 1 Linde, 6 Kastanien und 1 Ulme. Heute ist nur noch ein Rest vom Althoffsweg im oberen Teil zu Kirche vorhanden.
Die Höfe ALTHOFF – BRENNE waren durch eine Bruchsteinmauer getrennt, die einmal zu einem großen Streit zwischen Althoff und Brenne beitrug. Auf den Bauernhöfen liefen zwischen Hühnern, Enten und Gänsen auch Truthühner herum. Bei all dem Federvieh durfte ein schöner Pfauhahn nicht fehlen. Als BRENNES Pfau eines Tages auf der Mauer saß, holte ALTHOFF sein Flinte und schoß in ab. Ob der Pfau des Nachts zuviel geschrien hatte oder aus welchem Grund auch sonst, ist nicht mehr bekannt, jedenfalls war durch den Abschuß ein jahrelanger Streit entstanden.
Zu den Truthühnern muß ich noch etwas erzählen. Die weiblichen sind die Puten, wir nannten sie auch in Plattdeutsch: "Dä ollen Schruten", weil sie gerne hinter einem herliefen und wir uns bei der Aufzucht oft die Finger "verbrannten". Wenn die Pute mit ihrem Nachwuchs herumzog, dann wurden die Küken mit jungen Brennesseln und hart gekochten Eiern gefüttert, beides mußte klein gehackt und vermengt werden. Zu solch einer Arbeit holte sich die Bäuerin gerne die auf dem Hof spielenden Kinder heran.
Wie begaben uns wieder zur Ruhrseite vom Hof, den Blick durch das weite Ruhrtal gewandt, und zum Wäldchen zwischen Haus Ruhr und dem Ochsenhügel. Heute ist hier alles Land mit Erde angefüllt, früher lagen die vorderen Wiesen unter dem Wasserspiegel der Ruhr, zurückzuführen auf die "Alte Ruhr". Bei der Möhnekatastrophe im Mai 1943 passierte es, daß die Ergster Feuerwehrmänner vor der herannahenden großen Flutwelle alles Vieh aus den Weiden bis auf den Hof getrieben hatten. Zwei anwesende Hilfspolizisten paßte das nicht, und sie trieben, nachdem die Feuerwehr an einem anderen Ort im Einsatz war, alles Vieh wieder vom Hof auf die Schweinekoppel; auf der auch heute noch die Schweine grasen und suhlen. Beim Heranbrausen der Wassermassen konnten sie nur noch einige Tiere retten, wobei sie selbst bald noch ertrunken wären. Viele Tiere verendeten, schlugen abgetrieben in Westhofen gegen die Brücke, nur einige Rindviecher haben sich schwimmend an Land retten können - doch zurück zu ALTHOFF.
Die Ruhr war nicht nur eine Ortsgrenze, sondern durch Jahrhunderte auch eine Staatengrenze, an der Zoll bezahlt werden mußte, um den es viele Streitigkeiten gegeben hat. Es gab damals noch kein Zollamt und dergleichen mehr, was mit einer heutigen Grenze vergleichbar wäre. Damals kam es nur auf die Geldeinnahme an, und damit die Obrigkeit keinen Ärger hatte, verpachtete sie den Zoll. So geschah es auch im Jahre 1776, als der Gutsbesitzer ALTHOFF den Zoll von Westhofen und Schwerte, einschließlich den Grafschaftszoll von Limburg und den Judenzoll für 111 Reichstaler pachtete. (Hohenlimburger Heimatblätter 6+11/30) Es war nicht immer ein leicht zu verdienendes Geld; es begab sich, daß die Fuhrleute anstatt über eine Brücke, heimlich durch den Fluß fuhren. Im Jahre 1728 wurde beim Hochwasser die Westhofener Brücke weggerissen, wonach der Pächter "nicht einen halben Taler Zoll einnahm".
In der Pachtzeit von ALTHOFF beschwerten sich die Juden über die ungerechtferigte Höhe der Zollabgaben. Nach mehreren Verhandlungen wurde beschlossen, den "Leitzoll" an die Juden selbst zu verpachten. In dieser Zeit durften die Juden bei uns keine eigenen Häuser besitzen, sie wohnten auf den Höfen und sind uns durch die Abgabenverzeichnisse der damaligen Zeit bekannt geblieben. Bei dem "Schulze zu Ergste", ALTHOFF, wohnte die Familie JOSEPH; bei STORK, JACOB ABRAHAM; Einwohner bei GROVE war SAMUEL MOSES und auf dem WESTERFELDS Hof wohnte WOLFF LEVI (H.-Hbl.8/63).
Eine Erzählung aus dieser Zeit vom Bauern ALTHOFF ist bis heute noch in aller Munde. Auf der Tafel für den Brückenzoll waren wohl Pferde mit Karre oder Wagen aufgeführt, aber keine Maulesel. So spannte ALTHOFF eines Morgens seinen "Muli" in die Karre und fuhr nach Schwerte. In Villigst an der Brücke wurde er angehalten und sollte sein Brückengeld bezahlen. AALTHOFF fragte, wo etwas über Maulesel auf der Tafel stände? Wie sie sich geeinigt haben, weiß man nichr, nur eines weiß ich, daß ALTHOFF auch eine Schnapsbrennerei hatte.
Daß es auch auf dem Hof um Sein oder Nichtsein ging, geht aus einem überlieferten Bittbrief des DIETRICH ALTHOFF hervor, den er am 15. Juli 1635 an die Hochwohlgeborene Gräfin schrieb. In der Zeit des 30-jährigen Krieges zogen die Söldner der sich streitenden Parteien in wechselnder Folge durch unser Tal. Sie nahmen alles, was nicht niet- und nagelfest war, selbst das Saatgut. Um wieder von vorn anzufangen, brauchte man Saat und Schuldenerlaß, worum ALTHOFF in seinem Brief bat.
Einen HERMANN ALTHOFF finden wir 1593 als Zeugen am Ergster Freistuhl, der um die Zeit auf dem Hof BRACKMANN abgehalten wurde.
Im Jahre 1617 finden wir DIETRICH ALTHOFF, bisher Freimärker, der im Limburger Recht aufgenommen wurde. HERMANN, Sohn des Kirchmeisters und Holzrichters DIETRICH ALTHOFF, verzog in Ausland nach Westhofen und wurde dort Bürger. Noch einmal hören wir von ihm, als er 1674 eine Auskunft über die Hude auf dem Twieflot gibt.
Ein JÜRGEN ALTHOFF, auch ein Sohn des DIETRICH, kam bei dem dritten großen Brand in Westhofen mit noch acht anderen Personen, alle aus Ergste stammend, zu Tode.
1705 ist ein DIETRICH ALTHOFF Mitunterzeichner bei dem durch Stimmenmehrheit neugewählten Ergster Pastor HENRICH HENGSTENBERG.
Bei dem früheren reichen Kindersegen konnten die Töchter der angesehenen Höfe teils gut verheiratet werden. Der ältest Sohn bekam den Hof, die Zeit- oder Drittsöhne zogen in fremde Städte oder studierten, wurden Beamte und Lehrer. Ein JACOB ALTHOFF, 1746 in Ergste geboren, wurde Rentmeister auf Haus Niederhof bei Boele. Seinen Nachfahren FIERICH ALTHOFF (1839 – 1908) nannte man den "allmächtigen Ministerialdirektor im preußischen Kulturministerium". Die mündliche Überlieferung berichtet, daß FRIEDRICH ALTHOFF oft in Ergste weilte und hier mit den damaligen "dirigierenden" Ergstern, - nicht regierenden -, die neu zu beschreitenden Wege in der Kommunalpolitik aufzeigte.
Auch der Geheime Regierungsrat, Landesrat Dr. jur, Dr. med h.c. HERMANN ALTHOFF war ein Ergster, geboren und gestorben auf dem jahrhundertealten "Alde Hoff". Sein Lebenswerk konnte HERMANN ALTHOFF nicht in Ergste durchführen, dazu brauchte er die Verwaltungsstadt Münster. Wer das Leben des Geheimen Regierungsrates DR. ALTHOFF betrachtet, wird herausfinden, daß alle früheren dörflichen Sorgen in seinem Lebenswerk von großer Wichtigkeit waren.
Im Jahre 1890begann Herr DR. ALTHOFF seine Arbeit als Vorstandsmitglied der neu gegründeten Landesversicherungsanstalt Westfalen. Eine seiner wichtigsten Aufgaben, neben der Rentenbewilligung, sah DR. ALTHOFF in der Bekämpfung von Volkskrankheiten, sowie eine Gesundheitsfürsorge auf breiter Grundlage. Von diesen Gedanken ausgehend, veranlaßte er auch die Hergabe von Wohnungsbaudarlehen seitens der Versicherungsanstalt an die Versicherten und an die gemeinnützigen Bauvereine. Hier könnte eine lange Liste aufgeführt Werden.
Durch seine Sorge um die Natur und Kultur in Westfalen finden wir DR. ALTHOFF auch in der Anwesenheitsliste bei der Gründung des Westfälischen Heimatbundes im Jahre 1915. An seinem Lebensabend zog es DR. ALTHOFF wieder nach Ergste, wo keine Arbeit auf ich wartete. Das Dorf hatte sich zu der Zeit noch nicht verändert.
Zum Abschluß möchte ich den Text der Ehrenbürgerurkunde von dem zuletzt als Landwirt in Ergste wohnenden FRIEDRICH ALTHOFF wiedergeben. Er war Junggeselle, Bauer und Jäger, daher auch sein Spitzname "Auerhahn".
"Wir, Gemeindevorstand und Gemeindevertretung der Gemeinde Ergste urkunden und bekennen hierdurch, daß wir dem Gemeindevorsteher a. D. Herrn Gutsbesitzer FRIEDRICH ALTHOFF in dankbarer Anerkennung der großen Verdienste, die er sich in 15 jähriger, ehrenamtlicher Tätigkeit als Gemeindevorsteher um das Wohl der Gemeinde Ergste erworben hat, das Ehrenbürgerrecht verliehen haben. Ergste, den 31. März 1925.
Quelle: FRIEDHELM MANN, Ergste Ein Dorf am Rande des Lürwaldes,
Herausgeber: Heimatverein Ergste e.V., 1996